Tausende Krebserkrankungen in Deutschland könnten durch eine Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) verhindert werden: Forscher des Robert Koch-Instituts (RKI) berechneten anhand des deutschen Krebsregisters für 2013 rund 7600 HPV-bedingte Krebserkrankungen; 6240 bei Frauen und 1360 bei Männern. Dennoch ist die Impfquote hierzulande niedrig. Laut aktueller Impfsurveillance von RKI und Kassenärztlicher Vereinigung waren 15-jährige Mädchen im Jahr 2015 nur zu rund 31 Prozent vollständig geimpft. „Uns Gynäkologen ist es deshalb wichtig, verstärkt auf die Impfung als bedeutenden Schutz gegen HPV-Infektionen und deren mögliche Folgen hinzuweisen“, sagt Dr. med. Jürgen Klinghammer, Vorstandsvorsitzender der Ärzteorganisation GenoGyn. Dabei betonen die Frauenärzte der GenoGyn, dass nicht nur junge Mädchen vor dem ersten Geschlechtsverkehr, sondern auch bereits sexuell aktive Frauen sowie Patientinnen mit einer Vorstufe von Gebärmutterhalskrebs von der HPV-Impfung profitieren können.
Humane Papillomaviren sind die häufigsten sexuell übertragenen Viren. Mehr als 170 verschiedene HPV-Typen sind mittlerweile bekannt. Einige dieser Virustypen verursachen gutartige Haut- oder Genitalwarzen, andere sogenannte Hochrisikotypen können bösartige Zellveränderungen auslösen. Die Viren besiedeln die Schleimhäute, werden über Geschlechtsverkehr übertragen und können Krebserkrankungen von Vulva, Scheide, Penis oder After, bei Oralverkehr auch im Mund, Rachen und Kehlkopf hervorrufen. „Am häufigsten verursachen HP-Viren Gebärmutterhalskrebs. Rund 90 Prozent aller Gebärmutterhalskarzinome werden durch HPV ausgelöst, vorrangig durch die HPV-Typen 16 und 18“, sagt Frauenarzt Dr. Klinghammer. Kondome alleine bieten keinen 100-prozentigen Schutz, denn eine HPV-Infektion ist eine Kontaktinfektion, die auch durch Hautareale außerhalb des Kondoms übertragen werden kann.
Im Laufe seines Lebens infiziert sich fast jeder Mensch mit HPV. In aller Regel bleibt die Infektion unbemerkt und heilt ohne Behandlung aus. Bei einem geringen Teil der Infizierten kann das Immunsystem die Infektion nicht besiegen, sie bleibt bestehen und kann über Jahre Zellveränderungen hervorrufen, die sich über Krebsvorstufen zu Krebszellen entwickeln können. „Krebsvorstufen höheren Grades am Gebärmutterhals werden operativ mithilfe der sogenannten Konisation entfernt. Zahlreiche Frauen müssen sich in Deutschland jährlich diesem Eingriff unterziehen“, so Dr. Jürgen Klinghammer.
Weltweit haben Studien gezeigt, dass sich durch eine HPV-Impfung die Häufigkeit von HPV-Infektionen, die Neuerkrankungen an Genitalwarzen und die Rate von Zellveränderungen am Gebärmutterhals deutlich senken lassen. Auch das Risiko von Krebsvorstufen an Vulva und Vagina wird reduziert, ebenso das Risiko von Schleimhautveränderungen am Darmausgang.
Derzeit gibt es in Deutschland zwei Impfstoffe: den Zweifachimpfstoff Cervarix®, der vor den Hochrisikotypen HPV 16 und HPV 18 schützt sowie den Impfstoff Gardasil®9, der zusätzlich gegen die HP-Viren 6, 11, 31, 33, 45, 52 und 58 wirksam ist. Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut empfiehlt bislang die Impfung für Mädchen im Alter zwischen 9 und 14 Jahren, also vor dem ersten Sexualkontakt. Nachholimpfungen sollten laut den Impfexperten bis zum 18. Lebensjahr erfolgen. In dieser Altersgruppe werden die Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
„Doch von der HPV-Impfung profitieren auch ältere bereits sexuell aktive Frauen, besonders bei wechselnden Sexualpartnern. Selbst wenn das Immunsystem HP-Viren erfolgreich zurückdrängen konnte, ist jederzeit eine neue Infektion mit demselben oder einem anderen HPV-Typ möglich“, erklärt Frauenarzt Dr. Klinghammer. „Zudem kann eine Impfung nach einer Konisation laut Studienlage die Wiedererkrankungsrate um die Hälfte reduzieren. Sie wird von Frauenärzten empfohlen und ist in der S3-Leitlinie zur Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien berücksichtigt, allerdings nicht Teil der offiziellen STIKO-Empfehlung und damit nicht im Leistungskatalog der Kassen enthalten.“
Bislang müssen Frauen über 18 Jahre sowie Jungen und Männer die Impfkosten in den meisten Fällen selbst tragen. Da einige Versicherungen die knapp 500 Euro teure Impfung aber aus Kulanz übernehmen, ist die Nachfrage bei der Kasse in jedem Fall angeraten. „Wir appellieren an die Kassen, ihre Erstattungspraxis außerhalb der Schutzimpfungsrichtlinie entsprechend der aktuellen Datenlage zu HPV-bedingten Erkrankungen auszuweiten“, sagt GenoGyn-Vorstand Dr. Klinghammer. Eine Ausweitung der Impfempfehlung auch auf Jungen, die derzeit von der STIKO überprüft wird, ist für den Gynäkologen angesichts der bislang geringen Impfquoten bei Mädchen ein notwendiger Schritt, um die HPV-Last in der Bevölkerung zu reduzieren und unnötige HPV-bedingte Erkrankungen zu vermeiden.
Wichtig für die Impfaufklärung: Die HPV-Impfung ist kein Ersatz für die jährliche Krebsfrüherkennungsuntersuchung beim Frauenarzt. Da es sehr viele Subtypen der HPV-Erreger gibt, kann eine Erkrankung trotz Impfung nicht zu 100 Prozent ausgeschlossen werden. Daher ist die Untersuchung auch für geimpfte Frauen nach wie vor eine wichtige Maßnahme, um Krebsvorstufen beziehungsweise eine mögliche Gebärmutterhalskrebserkrankung frühzeitig zu erkennen.
Quelle:
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