Eine von 72 Frauen erkrankt im Laufe ihres Lebens an Eierstockkrebs: Das Ovarialkarzinom ist nach Brustkrebs die häufigste tödliche gynäkologische Tumorerkrankung. Dennoch ist das öffentliche Bewusstsein für diese Erkrankung schwach ausgeprägt, wie eine Online-Umfrage jüngst ergeben hat. „Nach der internationalen Umfrage unter Frauen mit Ovarialkarzinom haben in Deutschland insgesamt 79,3 Prozent der Befragten vor ihrer Diagnose noch nie von Eierstockkrebs gehört oder zumindest nichts über die Erkrankung gewusst“, sagt Prof. Dr. Friedrich Wolff aus dem Vorstand der Ärzteorganisation GenoGyn. Angesichts dieses Informationsdefizits wollen die Frauenärzte der GenoGyn größere Anstrengungen zur Aufklärung anstoßen. Anlass dafür gibt auch die laufende Aktualisierung der S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren, die zu neuen Handlungsempfehlungen etwa bei der genetischen Beratung und innovativen Therapien kommt.
Das Risiko, an Eierstockkrebs zu erkranken, erhöht sich mit dem Alter. Die Erkrankungsraten steigen bis zum 85. Lebensjahr, doch jede 10. bis 20. Erkrankung betrifft auch Frauen unter 45 Jahren. Für Deutschland zählt das Robert Koch-Institut jährlich rund 7250 Neuerkrankungen. Als etablierter Risikofaktor gilt eine familiäre Häufung von Brust- und Eierstockkrebs, also die erbliche Vorbelastung, oft durch Veränderungen in den Genen BRCA1 und BRCA2. Weitere Risikofaktoren sind Unfruchtbarkeit und starkes Übergewicht im Erwachsenenalter. „Auch eine hochdosierte langfristige Hormonbehandlung steht wie Rauchen, Diabetes oder andere Erkrankungen aus dem Formenkreis des metabolischen Syndroms in Verdacht, die Entstehung zu begünstigen“, so der Kölner Frauenarzt Prof. Dr. Wolff.
Eierstockkrebs entwickelt sich oft schnell und bleibt lange ohne eindeutige Symptome. Er wird in 75 Prozent der Fälle erst in einem fortgeschrittenen Stadium erkannt. Laut Studienlage wird dennoch davon ausgegangen, dass 93 Prozent der Patientinnen bereits vor der Diagnose Symptome aufweisen. Charakteristisch sind Völlegefühl, Blähungen, Verdauungsprobleme, Zunahme des Bauchumfangs, häufigeres Wasserlassen und Beschwerden oder unklare Schmerzen im Bauchbereich. „Bei solchen unspezifischen Beschwerden, deren Leitsymptom meist eine Bauchwassersucht (Aszites) ist, sollten Frauen unverzüglich die Abklärung durch den Frauenarzt suchen. Insbesondere gilt das, wenn diese Symptome kombiniert auftreten und die Frauen älter als 50 Jahre sind oder eine familiäre Belastung für Eierstockkrebs haben“, sagt Prof. Wolff.
Die Realität sieht indes anders aus, wie die bereits erwähnte Online-Umfrage zeigt, die von der Patientenorganisation „World Ovarian Cancer Coalition“ unter 1531 Frauen mit Eierstockkrebs in 44 Ländern durchgeführt wurde. Danach waren in Deutschland nur 63,3 Prozent der Befragten nach dem Auftreten von Symptomen sofort zum Arzt gegangen.
„Eine effektive Früherkennung des Ovarialkarzinoms gibt es leider nicht. Studien konnten bislang keinen Effekt eines generellen Screenings mittels Ultraschalluntersuchung, der sogenannten transvaginalen Sonographie, oder Tumormarkerbestimmungen (CA 125) auf die Überlebensraten nachweisen“, sagt Prof. Wolff. „Frauen mit einem erhöhten familiären Risiko, sollen aber eine Beratung an einem ausgewiesenen Zentrum sowie eine genetische Testung angeboten werden. Für Patientinnen mit der Diagnose Eierstockkrebs empfiehlt die Leitlinie künftig die Aufklärung über das Risiko einer erblichen Erkrankung und die genetische Testung vor allem mit Blick auf die Angehörigen.“
Trotz der Limitierungen bei der Detektion von Eierstockkrebs betont GenoGyn-Vorstand Prof. Dr. Friedrich Wolff die Bedeutung der individuellen Früherkennung durch die gesetzlich vorgesehene jährliche Tastuntersuchung des inneren Genitales und das Abtasten der Eierstöcke sowie die ärztliche Aufklärung, insbesondere über die transvaginale Sonographie (TVS). Ihr wird in der Leitlinie schon aufgrund der breiten Verfügbarkeit die größte Bedeutung bei der Diagnostik des Ovarialkarzinoms attestiert. „Es gibt zwar keine evidenzbasierte Empfehlung zur Früherkennung mit Ultraschall und/oder CA-125-Bestimmung, aber auch die Leitlinie sieht erneut Hinweise auf eine Verschiebung der Tumorstadien zugunsten der Frühstadien und eine Verbesserung der Prognose sowie die Möglichkeit, durch einen stringenten Untersuchungs-Algorithmus bei auffälligen Befunden die Falsch-Positiv-Rate zu vermindern“, so Prof. Wolff. Das ist besonders wichtig, da die Diagnose Eierstockkrebs üblicherweise erst durch die Operation gesichert wird. „Gut aufgeklärt, kann die Patientin im Einzelfall erheblich von der Vaginalsonografie profitieren“, resümiert der Vertreter der GenoGyn. Als Früherkennungsuntersuchung wird die TVS allerdings nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Experten sind zuversichtlich, dass Fortschritte bei der Behandlung des Ovarialkarzinoms etwa durch neue Chemotherapien und Antikörperbehandlungen oder den in der Leitlinienaktualisierung modifizierten Einsatz sogenannter PARP-Inhibitoren beim Rezidiv dazu beitragen werden, die bisherige relative 5-Jahres-Überlebensrate von etwa 41 Prozent deutlich zu verbessern. „Damit gewinnen Aufklärung und Früherkennung weiter an Bedeutung“, sagt Frauenarzt Wolff.
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