Übergewicht und Adipositas sowie zunehmendes Alter führen bei werdenden Müttern immer häufiger zu Diabetes. Der Gestationsdiabetes mellitus, kurz GDM, zählt zu den häufigsten Komplikationen in der Schwangerschaft und birgt lebensbedrohliche Risiken für Mutter und Kind. Um die Zuckerkrankheit bei Schwangeren zeitig zu erkennen, wurde 2012 in Deutschlands Mutterschaftsrichtlinien ein Blutzucker-Screening zwischen der 24. und 28. Woche der Schwangerschaft festgeschrieben. „Statt des von den medizinischen Fachgesellschaften empfohlenen ‚75-Gramm-Diagnosetests’ sehen die Richtlinien dafür aber nur den sogenannten ‚50 g Suchtest’ vor, bei dem mindestens jeder fünfte Fall unerkannt bleibt. Das ist gerade angesichts aktueller Erkenntnisse zur Häufigkeit des GDM, der akuten Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, aber auch der Langzeitfolgen unzureichend“, sagt Dr. med. Dipl.-Psych. Bernhard Stölzle, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Ärztlichen Genossenschaft GenoGyn. Die Ärzteorganisation sieht daher dringenden Nachbesserungsbedarf beim GDM-Screening und fordert mehr Anstrengungen bei der Prävention des Schwangerschaftsdiabetes sowie bei der Nachsorge betroffener Frauen.
Die Fallzahlen in Deutschland steigen seit 15 Jahren. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft zählte zuletzt 2015 knapp 35.400 Fälle; 4,9 Prozent aller Schwangeren in dem Jahr. Alarmierend höhere Zahlen zeigt eine aktuelle Studie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung auf (Melchior H, Kurch-Bek D, Mund M: The prevalence of gestational diabetes – a population-based analysis of a nationwide screening program), die erstmals die Screening-Umsetzung samt resultierender 1-Jahres-Prävalenz untersucht hat. Danach liegt die Prävalenz des GDM mit 13,2 Prozent deutlich höher als bisher angenommen. Parallel zum GDM haben Übergewicht und Adipositas in Deutschland zugenommen: Jede zweite Frau ist inzwischen übergewichtig, ein Viertel sogar fettleibig. Im gebärfähigen Alter gilt etwa jede dritte Frau als übergewichtig oder adipös. „Auch das Alter der Mütter, als ein weiterer Risikofaktor für GDM, ist heute auf im Schnitt 31 Jahre gestiegen“, sagt Frauenarzt Dr. Stölzle aus Bad Neuenahr.
Die gesundheitlichen Auswirkungen von GDM sind für Mutter und Kind gleichermaßen schwerwiegend: Die Mütter haben ein erhöhtes Risiko für Harnwegsinfekte, für schwangerschaftsbedingten Bluthochdruck und Präeklampsie, in deren Verlauf lebensbedrohliche Krampfanfälle (Eklampsie) auftreten können. Auch erhöht sich die Gefahr notwendiger Kaiserschnitt-Geburten und vaginal-operativer Entbindungen, da der Organismus der Babys auf das hohe Zuckerangebot mit erhöhter Produktion an Insulin, dem stärksten Wachstumsfaktor während der Schwangerschaft, reagiert. Entsprechend dick und groß werden die Ungeborenen im Mutterleib. Neben den Folgen vermehrter Geburtskomplikationen, drohen dem Baby Unterzuckerung nach der Geburt, Gelbsucht und Atemnotsyndrom. Langzeitfolgen kommen hinzu: „Durch fetale Programmierung leiden Kinder von Müttern mit unzureichend behandeltem GDM schon in jungen Jahren häufiger an Übergewicht, Diabetes, metabolischem Syndrom und Bluthochdruck, und fatalerweise entwickelt jede zweite Frau nach einem GDM innerhalb von zehn Jahren einen manifesten Typ-2-Diabetes“, so Dr. med. Dipl.-Psych. Bernhard Stölzle.
Vor diesem Hintergrund sehen die Frauenärzte der GenoGyn in einem GDM-Screening im Rahmen der Mutterschaftsrichtlinien zwar den richtigen Ansatz. Sie kritisieren jedoch, dass der aussagekräftigere orale Glukosetoleranztest („75 g oGTT“) als Kassenleistung bisher nur dann zum Einsatz kommt, wenn zuvor der einfache „50 g Suchtest“ mit seinen bekannten Unzulänglichkeiten auffällige Werte ergeben hat. „Aus der sogenannten HAPO-Studie wissen wir, dass bei 30 Prozent der Schwangeren mit GDM nur der Nüchternblutzuckerwert erhöht ist. Der wird aber im ‚50 g Suchtest’ nicht, sondern nur beim ‚75-Gramm-Diagnosetest’ erhoben“, sagt Dr. Stölzle. Mit dem Screening in seiner bestehenden Form werde ein großer Anteil von GDM nicht erkannt. Der „75 g oGTT“ dagegen könne den Patientinnen doppelte Tests ersparen und Fehldiagnosen verringern.
Als Präventionsexperte sieht der Frauenarzt zudem besondere Bedeutung darin, die vermeidbaren Hauptursachen des Schwangerschaftsdiabetes konsequent anzugehen: Übergewicht, unausgewogene Ernährung und Bewegungsmangel. Für die notwendige Lebensstiländerung dürften Frauen mit Kinderwunsch nicht allein gelassen werden, sondern müssten, wie in den Praxen der Frauenärzte der GenoGyn üblich, schon vor der Schwangerschaft anhand erprobter Präventionskonzepte betreut werden. Dr. Stölzle: „Es genügt nicht, nur darauf hinzuweisen, dass zum Beispiel Adipositas das Risiko von Fehlbildungen des Babys verdoppelt und die Entwicklung des Gestationsdiabetes begünstigt. Vielmehr muss gemeinsam mit der Patientin das Körpergewicht schon frühzeitig und nachhaltig auf ein Normalmaß gebracht werden, denn während der Schwangerschaft ist drastisches Abspecken möglichst zu vermeiden.“
Mehr Augenmerk gelte auch der Nachsorge der Mütter mit GDM, einschließlich der empfohlenen Blutzuckerkontrollen, um durch eine gesunde Lebensführung einem manifesten Diabetes vorzubeugen.
Quelle:
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